Ich gehe sogar davon aus, dass der klassische Ethnoverkehr in die Türkei, wie er gefühlt seit 20-30 Jahren am FMO geflogen wird, nicht zurückkommen wird.
Der Grund dafür ist, dass die klassische Zielgruppe immer kleiner wird. Es handelt sich hauptsächlich um die noch nicht verstorbene erste Generation Gastarbeiter, deren Kinder und weniger die Enkel. Ich kenne noch einige Menschen aus dem Münsterland in dieser Zielgruppe, die für viele Wochen/Monate in die Heimatstädte fliegen und bereit sind für einen Direktflug nach FRA/HAJ zu fahren, aber auf keinen Fall umsteigen möchten. Der Altersdurchschnitt und Rollstuhlanteil dieser Flüge ist deutlich höher als auf den Linienflügen von PC/TK . Das ist das klassische Klientel für die 1/7 Verbindungen in die türkischen Provinzstädte.
Die Nachkommen der ersten Generationen sind da ganz anders. Wir fliegen z.B. maximal für 3-5 Tage in die Türkei, dafür aber 3-4x im Jahr. Nur Handgepäck und Umsteigen in SAW/IST sind kein Problem (Als Flughafenbegeisterter sowieso nicht
). Auch unsere Besucher aus der Türkei reisen genau so.
In der Türkei hat mittlerweile jede noch so kleine Mittelstadt in der östlichsten Provinz einen eigenen Flughafen mit mindestens 3-4 täglichen Flügen nach Istanbul. Das Hochgeschwindigkeitszugnetz mit Anbindung an SAW (über Pendik) und IST (soll bald fertiggestellt werden) wächst in rasantem Tempo.
Da braucht man irgendwann den 1/7 Direktfug aus ESB/ASR/ADB/ADA/ONQ eben nicht mehr.
Warum es so unvermittelt und schnell ging? Mit Onur Air und Atlasjet sind zwei Fluggesellschaften der Pandemie zum Opfer gefallen. Beide waren fleißig zwischen Russland/AYT und Westeuropa/AYT unterwegs. Nach der Pandemie erholte sich der Antalya Markt unerwartet schnell. Zudem mussten mit dem Krieg in der Ukraine plötzlich die Kapazitäten zwischen Russland und der Türkei massiv erweitert werden. XQ und XC benötigten die Kapazitäten, die z.B. für die Ethno Flüge vom FMO vorgesehen waren, nun anderweitig. Da das Ethnogeschäft aus o.a. Gründen eh kein Zukunftsgeschäft mehr ist, war dies mehr oder weniger unproblematisch.
Anders verhält es sich bei den Prishtina Flügen. Die Kosovaren sind nicht als Gastarbeiter, sondern als Flüchtlinge nach dem Kosovo Krieg nach Deutschland gekommen. Der Großteil hat lange gebraucht um reisefähige Dokumente zu erhalten und der Kosovo war auch lange aus Sicherheitsgründen nicht sonderlich bereisbar. Mittlerweile (vor Allem in den letzten zwei Jahren) haben immer mehr Kosovaren einen "normalen" Aufenthaltstitel oder sogar die deutsche Staatsbürgerschaft. Die politische Lage im Land ist zwar noch angespannt, aber es ist deutlich sicherer sich dort aufzuhalten. Dies führt gerade zu einem Reiseboom in die alte "Heimat". Die Kaufkraft der hiesigen Kosovaren steigt natürlich mit jeder Generation, sodass man in der Heimat auch gerne zeigt, was man hat. Ich denke, dass dieser Boom in den nächsten Jahren noch anhalten wird, zumal auch immer mehr dort Ferienwohnungen kaufen. Ab dem 01.01.2024 können Kosovaren visafrei nach Deutschland reisen, was sich sicherlich auch nochmal in den Paxzahlen wiederspiegeln wird. Bisher war es nicht einfach, ein Visum für Deutschland zu erhalten.
Demnach sehe ich die Prishtina Verbindung als zukunftsfähig an und bin froh, dass diese Route am FMO weiter wächst.
Potential für eine SAW Verbindung ist definitiv auch da, insbesondere wenn das Umsteigen in SAW mit der zweiten Piste verlässlicher wird.
Spätestens wenn die vielen Syrer in Deutschland eingebürgert sind (soll demnächst ja noch schneller möglich sein) und kein Visum mehr für die Türkei benötigen, wird sich dies auf Routen wie FMO-SAW-HTY/GZT/ADA usw. auswirken. Fast jeder Syrer in Deutschland hat syrische Familienmitglieder, die in der Türkei untergekommen sind. Nach jahrelanger Trennung wird auch hier ein Reiseboom ausbrechen.
Man kann und darf diese Entwicklungen sicherlich kritisch sehen, für die deutschen Flughäfen heißt dies aber mehr Verkehr. Auch der FMO wird davon sicherlich profitieren, sofern wir eine IST/SAW Anbindung bekommen.